Zwischen Himmel und Erde – Fortsetzung 9

Katzensitter

Für jeden Tierhalter, der ein paar Tage Urlaub machen möchte, stellt sich irgendwann die Frage: „Wer versorgt meine Tiere während meiner Abwesenheit?“ Hundemenschen fragen sich eher wohin kann ich meinen vierbeinigen Freund problemlos mitnehmen? Wenn das einmal nicht möglich sein sollte, packt Frauchen oder Herrchen die Lieblingsdecke, das Kuscheltier, Futter- und Trinknapf ein und bringt „Bello“ zu einer ihm meistens bekannten Person. Die Hundepension ist natürlich für jeden Menschen, der seinen Hund liebt der letzte Ausweg, aber selbst das akzeptiert der Fellträger auch wenn er dabei traurig ist. Ob seine Menschen einen Tag oder eine Woche weg waren, spielt bei der Begrüßungszeremonie nach deren Rückkehr keine Rolle. Sie wird gleich heftig ausfallen und „Bello“ ist einfach nur froh, dass seine Menschen wieder da sind.

Bei einer Katze… Katzenbesitzern entlockt das jetzt schon ein Schmunzeln, stimmts? Aber wahrscheinlich ist das bei jeder Mieze anders und Charaktersache. Doch ganz so einfach wie bei einem Hund ist das keinesfalls. Im Mai 2017 wurde ich das erste Mal mit dieser Situation konfrontiert. Ich hatte eine einwöchige Reise zu meiner Freundin nach Spanien geplant. Dabei erinnerte ich mich, dass mein Mallehrer, den ich im Jahr 2005 auf Patmos (Griechenland) kennengelernt hatte, auch eine Katze besessen hatte und die durfte immer mit, wenn er von Juni bis September seine Kurse dort abgehalten hatte. Er hatte quasi einen zweiten Wohnsitz im Ausland und seiner Katze hatte das Reisen nichts ausgemacht. Sie war das so gewohnt gewesen. Aber wegen einer Woche zwei Katzen mit auf Reisen nehmen? Das war es nicht einmal wert Gedanken darüber zu verschwenden. Eine liebe Nachbarin der ich meine Pläne erzählte bot sich an, doch sie hatte selbst viele Aufgaben mit Arbeit und Hund. Ich wollte sie deshalb nicht zusätzlich belasten. Da Joy und Charly damals noch sehr jung waren verlangten sie zweimal am Tag ihr Nassfutter. Zum Streicheln und Spielen sollte auch noch genügend Muse vorhanden sein. Mir fiel im Freundeskreis niemand ein, der die Zeit dazu gehabt hätte bei mir zweimal am Tag zu den gewohnten Fütterungszeiten vorbeizuschauen. Außerdem waren sie damals noch klein und Joy war noch eine reine Wohnungskatze mit einem ausgeprägten Spieltrieb. Natürlich hätten sich jemand dazu bereiterklärt aufzupassen, wenn ich die Katzen in dessen Zuhause gebracht hätte. Doch diesen Aufwand wollte ich nicht betreiben und das war auch nicht notwendig, denn sie waren ja zu zweit und brauchten keine Rundumbetreuung. Aber ein Jahr später sollte ich dann doch dazu gezwungen werden.

Wozu gibt es denn soziale Netzwerke, dachte ich und teilte ein Gesuch nach einem Sitter mit meinen Facebookfreunden. Manchmal liegt das Gute eben doch sehr nahe. Eine Freundin schrieb mich an und fragte fast vorwurfsvoll warum ich denn nicht an sie gedacht hätte. Sie wohnte nicht weit weg von mir und hatte Zeit. Sie war selbst Mama von Hund und Katze und war das Beste was mir passieren konnte. Sie kam vorbei um die Anvertrauten kennenzulernen. Ich war überglücklich und ich wusste meine Fellkinder in guten Händen. Joy und Charly fanden den Koffer, den ich aus dem Schrank holte und packte, großartig. Sie nahmen ihn unter Beschlag und ich hatte bei dem Gewusel alle Mühe meine Kleidung ordentlich einzupacken. Der Abschied fiel mir dann doch schwer, aber ich bekam jeden Tag ein Foto von meiner Freundin geschickt und das zauberte mir am Morgen beim Aufstehen ein Lächeln ins Gesicht. Ich hatte oft gehört, dass Katzen beleidigt wären, wenn man wieder zurückkommt und einen erst einmal mit Missachtung bestrafen. Natürlich wurde ich nicht mit heftigem Schwanzwedeln und Anspringen empfangen, aber ich hatte schon das Gefühl, dass sie sich über meine Rückkehr gefreut hatten.

Ein Jahr später wurde ich krank und ich musste für zwei Wochen in eine Klinik. So wie es im Leben ist, veränderte sich auch der Lebensumstand meiner lieben Katzensitterin. Sie hatte deshalb keine Zeit mehr die Aufgabe zu übernehmen. Weil ich den Aufnahmetermin im Krankenhaus überraschend schnell bekommen hatte, war gar keine Zeit nach einer neuen Betreuung zu suchen. Ich wusste, dass meine Tochter sofort ja sagen würde, wenn ich sie fragen würde ob ich die Beiden zu ihr bringen kann. Doch sie und ihr Mann hatten sich erst neue Möbel gekauft und ich kannte die scharfen Krallen von acht Pfoten, die sich an meinem Sofa austobten und den Polsterstoff langsam aber sicher zu einem Rupfenteppich verwandelten. Mein Schwiegersohn war nicht sehr erfreut gewesen, willigte aber trotzdem ein. Schließlich hält Familie zusammen. Also zogen Joy und Charly für zwei Wochen bei ihnen ein. Für den Umzug der Beiden benötigte ich nicht nur einen guten Plan was alles benötigt wurde, sondern am Ende auch einen großen Kofferraum. Bettchen, Toiletten, Katzenstreu, Nass- und Trockenfutter für zwei Wochen, Lieblingsspielzeug, Medikamente für den Notfall, Kuscheldecken alles im Doppelpack. Ich empfing auch einen starken Impuls den Kratzbaum mitzugeben, den mein Schwiegersohn ohne zu zögern in sein Auto stopfte. Sein Impuls sagte ihm wahrscheinlich: „Umso mehr Ablenkung sie haben umso weniger gehen sie an meine Möbel.“ Ich begleitete sie noch zur neuen Umgebung die sie eigentlich schon von der Evakuierung kannten. Meine Tochter hatte schon alles was ihr wichtig war mit Wolldecken abgedeckt. Der Kratzbaum wurde sofort besetzt und war die richtige Entscheidung. Mir wäre es peinlich gewesen, wenn sie etwas kaputt gemacht hätten. Schließlich ging alles gut. Ich war genesen und die Wohnung meiner Kinder wurde bis auf ein paar Kratzspuren am Ehebett, wieder geräumt.

Für den kommenden Kurztrip im Juli suchte ich nach einer professionellen Katzensitterin. Mit Joy, die inzwischen ihren Freigang gewohnt war, wurde es auch schwieriger sie aus ihrem Revier zu nehmen. Fünf Tage waren es mir nicht wert diesen riesigen Aufwand wie im Mai zu betreiben und ich mochte auch keine weitere Suchaktion im sozialen Netzwerk starten. So fragte ich Google und fand eine Tierbetreuung mit einer seriösen Homepage. Schließlich vertraute ich dieser fremden Person meinen Schlüssel und meine Habseligkeiten an. Nach einer Terminabsprache kam sie zum Kennenlernen und weil sie vertrauenswürdig war unterzeichnete ich den Vertrag, leistete eine Anzahlung und gab ihr den Wohnungsschlüssel. Alles perfekt geregelt für meine Drinnen- und Draußenkatze dachte ich und freute mich auf „Night oft the Prog“ beim Loreleyfelsen. Joy war sehr aufgeregt als ich den Koffer packte. Ich hatte den Eindruck, dass sie schon wusste was jetzt passieren wird. Ich erklärte den beiden, dass ich in ein paar Tagen wieder da sein werde und gut für sie gesorgt werden würde. Ob sie es verstanden hatten wusste ich nicht, aber meinem Gewissen war dabei leichter geworden.

Ich dachte mich trifft der Schlag, als ich an meinem ersten Urlaubstag beim Abendessen saß und einen Anruf der Tiersitterin erhielt. Sie war ziemlich aufgeregt. Ich hatte ihr den falschen Schlüssel gegeben und sie stand vor meiner Wohnungstür und kam nicht hinein. Dabei war ich mir so sicher gewesen, dass wir den Schlüssel gemeinsam an der Wohnungstür ausprobiert hatten. Ich konnte mir auch die Verwechslung nicht erklären. Bis es mir wie Schuppen vor den Augen fiel. Der Schlüssel musste von einer Freundin, die während meines Krankenhausaufenthaltes meine Blumen gegossen hatte, versehentlich vertauscht worden sein. Die Angelegenheit in Ordnung zu bringen war für mich von der Ferne äußerst schwierig. Deshalb rief ich meine Tochter an, die zum Glück schon von der Arbeit daheim war. Sie fuhr gleich los und verschaffte mit ihrem Ersatzschlüssel meiner Samtpfotenbetreuerin Einlass. Bei meiner Rückkehr konnte ich die Sache klären und tatsächlich baumelte mein Schlüssel noch am Schlüsselbund meiner Freundin. Sie sahen sich auch verdammt ähnlich. Ihr war das furchtbar peinlich und mir erst. Trotzdem konnten wir über das Missgeschick lachen und ich schickte zur Entschuldigung meiner Tiersitterin einen Blumenstrauß.

In diesem Jahr 2018 war keine Reise mehr geplant und ich musste mir keine Gedanken machen, wie ich es bei einer längeren Urlaubsreise zukünftig gestalten wollte. Da wusste ich noch nicht, dass alles anders werden würde.