Joy wird erwachsen
Das Joy keine reinrassige BKH war, war mir von Anfang an bewusst. Trotzdem hoffte ich, dass bei ihr das rassetypische Verhalten, das sie von der Mutterseite geerbt hatte durchschlagen würde. Den BKH’s sagt man nach, dass sie später geschlechtsreif werden würden, als Hauskatzen. Doch der Vater musste wohl ein europäischer Hauskater gewesen sein über den ich leider keine Auskünfte erhalten hatte. Mein Verdacht bestärkte sich, als Joy schon bald nachdem Charly eingezogen war das erste Mal rollig wurde. Es war vor Weihnachten, als Joy sich sehr seltsam verhielt und sie war noch nicht einmal acht Monate alt. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie vor der Geschlechtsreife operieren zu lassen, aber die Natur war mir zuvorgekommen. Zuerst dachte ich sie wäre krank. Ihr Fell war struppig und sie saß geduckt da und kniff ihre Augen zusammen. Bis ich diesen markdruckdringenden Schrei hörte. Jeder kennt solche nächtlichen Rufe, die sich anhören wie wenn ein Baby vor dem Schlafzimmerfenster brüllen würde. Es war schrecklich und ich konnte nichts tun. Ich rief die Tierärztin an. Sie klärte mich auf, dass man erst kastrieren kann, wenn die rollige Zeit vorbei ist. Sie riet mir aber nicht zu lange zu warten, denn Katzen können nach vierzehn Tagen gleich wieder rollig werden. Joy war ein Häufchen Elend und ich konnte mir gut vorstellen, dass sie genauso wie ein junges Mädchen die das erste Mal ihre Tage bekam nicht wusste was da genau mit ihr geschah. Ich versuchte sie zu trösten, doch sie schrie, knurrte und litt. Ein Weihnachten mit Katzenjammer.
Ich hatte von Charlys Züchterin erfahren, dass sie einen Trick anwendete damit ihre Kätzin zum Decken bereit wurde. Sie ließ sie an Männersocken schnüffeln. Ich überlegte wessen Socken das Übel verursacht haben könnten. Die meines Schwiegersohns oder die von meinem Gast aus der Karibik? Oder hatte das der kleine Charly ausgelöst, der mit der Situation total überfordert war? Weil er noch nicht geschlechtsreif war, wusste er nicht was seine Aufgabe war. Doch sein Instinkt zwang ihn etwas zu unternehmen. Es sah so witzig aus, als er versuchte auf sie zu klettern und eine Sache zu erledigen zu der er noch nicht im Stande war. Aber zumindest wusste er, dass man die Dame in den Hals beißt. Joy schüttelte ihn ab und brachte sich in Sicherheit. So verbrachten wir die Feiertage und ich war froh, dass ich Urlaub hatte und ein wenig positiv auf die Beiden einwirken konnte.
Wie angenehm war die plötzliche Ruhe. So unverhofft wie es angefangen hatte, so hörte es auch wieder auf. Ich fackelte nicht lange und vereinbarte einen OP-Termin vor Silvester. Es war der 28. Dezember als ich nur Charlys Fressnapf füllte. „Wie gemein!“, dachte sich sicher Joy. Ungläubig, dass sie nichts bekam schlüpfte sie freiwillig in die bereitgestellte Transporttasche. Taschen, Körbe, Koffer brauchte ich nur offen zu platzieren, schon war sie drinnen. Vielleicht würde ja etwas Spannendes passieren. Wenn sie gewusst hätte, was auf sie zukam, dann hätte sie sich sicher weit in der hintersten Ecke unter dem Bett verkrochen.

Joy war noch benommen von der Narkose, als wir wieder nach Hause kamen. Der medizinische Geruch hielt Charly davon ab sich Joy zu nähern. Die Tierärztin hatte mir geraten, sie noch für vier Stunden in der Transporttasche zu lassen. Sie könnte sich übernehmen und dabei verletzen. Ich stellte sie neben mich auf das Sofa und streichelte sie durch einen Reißverschlussschlitz. Ihr Fell fühlte sich schwitzig an. Eine Katze zu kastrieren ist eine größere Operation als bei einem Kater. Das Fell am Bauch muss rasiert werden. Der Unterleib wird aufgeschnitten und die weiblichen Geschlechtsorgane werden entfernt. Eine riesige Strapaze für die kleine Maus. Bis sie sich restlos davon erholte, verging eine Woche. Ich blieb so lange zu Hause um sie daran hindern zu können am OP-Faden zu nagen. Sie war jedoch sehr brav und lies ihre Wunde in Frieden, bis der Faden sich von selbst aufgelöst hatte. Im Januar als ich wieder zur Arbeit ging, war alles wieder gut. So als wäre nichts gewesen. Joy und Charly kuschelten sich in ihre Bettchen vor der warmen Heizung und manchmal brauchten sie auch nur Eins.
