Zwischen Himmel und Erde – Fortsetzung 5

Kinderstube

Der Einzug von Charly stellte mich vor einige Herausforderungen. Das Katzenstreu an das er gewöhnt war, fand ich besser als das was ich für Joy verwendete. Am Anfang bestieg Joy etwas widerwillig die Toilette mit dem fremden Inhalt. Zum Glück nahm sie ihn trotzdem an. Schwieriger war es mit dem Futter. So entschied ich, dass ich Joy auf Charlys Trockenfutter und Charly auf Joys Nassfutter umstellte. Langsam mischte ich die Trockenfuttersorten. Trotzdem blieben leichte Durchfallerkrankungen nicht aus. Charlys Darm beruhigte sich wieder von selbst, aber Joy musste ich ein leichtes Medikament verabreichen. Ich war froh, als die Beschwerden aufhörten und die Umgewöhnungszeit beendet war.

Bevor ich Joy adoptierte, hatte ich überhaupt keine Ahnung von Katzen und jetzt hatte ich zwei. Ich kaufte mir ein Praxishandbuch, damit ich wenigsten die grundlegendsten Verhaltensweisen einer Katze verstand. So ein Buch ist für den Anfang hilfreich, aber ich musste schnell feststellen, dass es keine Gebrauchsanweisung gab. Jede Katze, ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt ist immer ein Individuum und von ihrem ganz eigenen Charakter geprägt. So lernte ich durch beobachten und die Beiden beobachteten mich. Der Fernseher lief nur noch selten, denn den Fellnasen beim Spielen zuzusehen war viel unterhaltsamer. Vor allem liebten sie die Abwechslung und waren sehr erfinderisch Neues zu entdecken und auszuprobieren. Die Schublade mit meinen Socken war für Joy das perfekte Versteck. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass Katzenmädchen klüger sind als Katerchen, aber es war Joy die wusste wie man diese Schublade aufziehen konnte. Trotz aufmerksamer Beobachtung wie sie das machte, schaffte es Charly nicht. Aber vielleicht täuschte ich mich und Charly war der Klügere und hat sich die Lade absichtlich öffnen lassen. Wer weiß das schon so genau. Wenn die Lade einen Spalt geöffnet war, konnte ich beim genauen Hinschauen die obere Hälfte ihres Gesichtchens sehen, das mich gespannt vom dunklen Schlitz aus beim Vorbeigehen verfolgte. Später verriet auch der Sockenberg vor dem Schrank, dass sie sich darin verbarg. Je größer Joy wurde umso mehr Strümpfe mussten ihr den Platz räumen. Solange ich diesen Schrank besessen hatte, räumte ich mindestens einmal am Tag meine Socken und Strümpfe ein. Da der Kleiderschrank zwei Laden besaß, kletterte sie von einer in die andere. Charly durfte gelegentlich auch eine Lade besetzen, aber er fand das nicht so aufregend wie Joy. Ein sehr beliebtes Spielzeug war ein leerer Karton. Immer wenn ich einen hatte durften die Beiden darin spielen, bevor ich ihn entsorgte.

 

Wenn ich die Wohnung verließ, schauten mich jetzt nicht mehr zwei, sondern vier Katzenaugen fragend an. Zu gerne hätte ich gewusst, was in den Köpfchen der Beiden vorgeht. „Endlich sturmfrei!“ oder „Ups, wo geht unser Dosenöffner hin?“

Katzen sind freiheitsliebende und unabhängige Tiere. Eine Eigenschaft, die ich auch mir selbst zuschreibe. Vielleicht ist das der Grund, warum ich sie so gerne mag. Deshalb war ich auch nicht der Mittelpunkt für meine Stubentiger, so wie es bei meinem Hund war. Ich war nur ein Bestandteil ihres Lebens. Aber sie zeigten mir jeden Tag, dass ich ein wichtiger Teil davon war. Joy, indem sie mir um die Beine strich und bei allem was ich tat mit dabei war. Das sie sehr liebevoll sein konnte, bewies sie, wenn ich auf dem Sofa lag. Dann rieb sie stürmisch ihr Näschen und Köpfchen an meiner Nase. Ab und zu bekam ich auch ihren Popo vor mein Gesicht gesetzt, ein Zeichen von großer Vertrautheit und in Katzensprache so viel heißt wie: „Da rich mal ich bin jetzt da.“ Charly war da eher zurückhaltender. Er genoss lieber ausgiebig seine Streicheleinheiten.

Katzen sind nicht erziehbar! Dieser Aussage muss ich eindeutig widersprechen. Mit Konsequenz und Ausdauer ist es möglich auch einer Katze beizubringen ein paar Regeln zu befolgen. Es kommt nur darauf an wer den längeren Atem hat. In den meisten Fällen hatte den zwar Joy, aber bei einer Sache, die mir absolut wichtig ist, funktionierte es. Meiner Ansicht nach haben Tiere – egal welche – auf Tischen an denen gegessen wird nichts zu suchen. Das kann jetzt ein anderer Katzenbesitzer belächeln, aber ich mag das einfach nicht. Da Joy das Alphatier war, musste ich es hauptsächlich ihr beibringen. Charly machte es dann sowieso nach. Ich erhob dazu nie meine Stimme und wurde auch nie laut. Es reichte ein langgezogenes, ernstes „N e i n!“ und ein Zeichen, dass ich damit das meine was sie gerade tat. Am Anfang nahm ich sie vom Tisch. Später reichte es aus, wenn ich aufstand und von der Ferne ein Handzeichen gab. Das klappte nicht sofort auch nicht nach dem zehnten oder zwanzigsten Mal, aber irgendwann wurde die Regel akzeptiert. Bis auf wenige Male, wenn ich etwas auf den Tisch gelegt hatte, dass die Neugierde allen Anstand vergessen ließ. Doch ein Blick von mir und ein „Runter vom Tisch“ genügte um das Gelernte wieder in ihr Gedächtnis zu rufen. Ich musste mir dann ein Lachen unterdrücken, wenn die Schuldbewusste ihren Fehler rasch korrigierte. Bei Charly sah das noch lustiger aus, wenn er nicht gleich wusste welchen von den vier Stühlen er zum herunterkommen benutzen sollte und auf dem Tisch mit schlechtem Gewissen umherwuselte. Es hat vielleicht nicht immer den Anschein, aber auch Katzen möchten es ihrem Menschen recht machen. Katzen sind sensible Wesen. Komisches Verhalten hat immer einen Grund, den wir Menschen nur nicht erfassen können. Ich habe bis heute noch nicht herausgefunden warum Charly als kleiner Junge die Badewanne für sein Geschäft benutzt hatte. Selten kommt es sogar heute noch vor und ich frage mich jedes Mal was dem Herrn nicht passen könnte. Ich komm nicht drauf. Schließlich entferne ich seine Ausscheidungen aus seiner Toilette stehts sofort. Aber eins steht fest. Katzen machen nie etwas aus Boshaftigkeit.