Zwischen Himmel und Erde – Fortsetzung 4

Der Neue

Joy war inzwischen sieben Monate alt geworden. Ich hatte Bedenken. „Würde sie einen anderen Mitbewohner noch akzeptieren?“ Außerdem gab es noch den Mythos über Herbstkatzen, dass sie kränklicher und anfälliger wären gegenüber den Frühjahrsgeborenen. Doch der wahre Kern hinter dieser Aussage bezieht sich ausschließlich auf Katzen, die auf sich selbst gestellt sind. Der Unterschied ob ein Kätzchen auf einem Bauernhof in der warmen oder kalten Jahreszeit auf die Welt kommt ist gravierend. Deshalb verwarf ich auch diesen Einwand.

Mir wurde klar, dass ich eine weitere Adoption nicht mehr länger hinauszögern sollte. Erneut suchte ich im Internet. Für meine Joy sollte es ein BKH-Kater sein. Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich somit zwei reine Wohnungskatzen haben würde. Dieses Mal hatte ich Glück. In einem Stadtteil von Augsburg wurden verschiedene junge BKH Katzen von einer Hobby-Züchterin angeboten, die schon abgabebereit waren. Schnell setzte ich mich mit ihr in Verbindung und sie sicherte mir zu, dass ich noch freie Auswahl hätte. Wir vereinbarten einen Besuchstermin. Am 07.12.2016 war es dann soweit. Mit der Zuversicht, dass ich ein kleines Katerchen mit nach Hause bringen würde, nahm ich die Transporttasche mit.

Nach einer halben Stunde Busfahrt war ich angekommen. Eine freundliche junge Frau öffnete mir die Tür. Als ich die Wohnung betrat, staunte ich. Schon in der Diele empfingen mich zwei neugierige Kätzchen. Frau Bayer (der Name ist geändert) führte mich weiter in die große Küche. Dort wuselte es von jungen und älteren Samtpfoten. Sie zeigte mir die Kätzchen, die sie abgeben wollte. Andere hatte sie nur zur Pflege und waren unverkäuflich. Ich wusste gar nicht, welches Wollknäul ich zuerst auf den Arm nehmen sollte. Ein ganz aufgewecktes rot-weißes Tiegerchen sprang auf den Tisch. Danach auf den Stuhl um seine Katzenmama zu drangsalieren, die das sichtlich nicht angenehm empfand. Frau Bayer erlöste die Geplagte und drückte mir das lebhafte Kätzchen mit den Worten in den Arm: „Sie ist mir vorhin in den Backofen gesprungen. Zum Glück war er schon abgekühlt.“ Ich dachte mir: „Eindeutig ein Baby mit viel Blödsinn im Kopf.“ Ich setzte es auf den Boden und sah mich in der Küche um. Das reinste Katzenparadies mit unendlich viel Spielzeug und für jeden ein eigenes Bettchen. Mein Blick fiel in eine Zimmerecke und da sah ich ein weiteres Baby. Friedlich schlummernd, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. „Ist das eine Junge?“, fragte ich. „Ja. Er ist zwölf Wochen alt.“ Sie hob ihn aus seinem Schlafplätzchen und legte ihn mir in den Arm. Er hatte ein sehr hübsches Gesicht. Doch warum hatte er solche Ohren? Sie waren nicht spitz, sondern sahen verkümmert und nach unten gefaltet aus. Die Ohren seiner Mama hatten die gleiche Form. Frau Bayer klärte mich auf. „Das ist eine spezielle Rasse sie nennt sich BKH-Scottish Fold. Die haben solche Ohren.“ Ich fragte nicht weiter nach. Ich fand in einfach zum knuddeln und bemerkte, dass der Name Charly sehr gut zu ihm passen würde. Frau Bayer stimmte mir lachend zu und wir verhandelten den Kaufpreis. Sie schenkte mir eine Decke, die ich in die Transporttasche legte bevor ich Charly darin einsperrte. Ein Beutelchen mit seinem geruchüberzogenen Katzenstreu gab sie mir auch mit. Das sollte ihm sein erstes Geschäft in der neuen Umgebung erleichtern.

Auf der Heimfahrt war ich schon gespannt wie sich Joy verhalten würde. Ich freute mich, dass ich ihr einen Spielgefährten mit nach Hause brachte. Vor der Wohnungstür hielt ich noch einen Augenblick inne. Ich wusste, dass Joy mich bereits hinter der verschlossenen Tür erwarten würde. Ich öffnete vorsichtig. Joy begrüßte mich wie gewohnt. Erst als ich die Transporttasche auf den Boden stellte, bemerkte sie, dass da etwas Lebendiges darinnen saß. Das war ihr nicht geheuer. Die sonst so neugierige Joy blieb auf Abstand. Eine Weile lies ich den fremden Geruch auf Joy wirken bis ich den Reißverschluss öffnete. Charly streckte den Kopf heraus und Joy krümmte ihren Rücken und fauchte. „Das kann ja noch lustig werden.“, dachte ich mir. Ich beobachtete wie sich das Annähern entwickelte. Charly war um die Gunst von Joy sehr bemüht und es tat mir leid, dass er so vehement von ihr abgelehnt wurde. Ich nahm Charly auf den Arm und sagte: „Schau Joy das ist doch ein ganz Lieber. Noch ein kleines Baby und er mag dich.“ Ich setzte ihn wieder auf den Boden zurück. Waren es meine Worte oder war es meine Geste… ich weis es nicht. Auf jeden Fall war das Eis gebrochen und sie beschnupperte und beleckte ihn. Von da an waren sie ein Herz und eine Seele. Für Charly war Joy das Vorbild, dem er kräftig nacheiferte und Joy nahm ihre Aufgabe als große Schwester sehr ernst.

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