Wenn ein Tier zum Pflegefall wird

Keine Lust zum Spielen

Charly ist eigentlich noch viel zu jung um gepflegt werden zu müssen. Doch wegen seiner Rasse hat er viele Krankheiten, die eine gesunde Katze möglicherweise erst im Alter bekommen kann. Manchmal höre ich ein bisschen neidisch anderen Katzenbesitzern zu, die sagen, dass ihre Mieze schon fast 20 Jahre alt ist und erst jetzt im Alter Medikamente und besondere Pflege benötigt. Manche Katzen haben tatsächlich das Glück, außer zum Impfen und vielleicht für einen Chip, niemals zu einem Tierarzt zu müssen. Weswegen Charlys Seele sich ihren Platz ausgerechnet bei mir ausgesucht hat, muss einen tieferen Sinn haben. Tiere spiegeln ja bekanntlich ihren Besitzer.

Teufelskreis

Mein vierbeiniger Freund gehört leider zu den Bedauernswerten unter seinen Artgenossen und hat alles abgekriegt, was so ein kleiner Pelz nur bekommen kann. Über seinen Herzfehler habe ich schon berichtet. Beim letzten Ultraschall wurde festgestellt, dass er viel zu kleine Nieren für seine Körpergröße hat. Die Medikamente, die er ständig einnehmen muss, verschlechtern dazu noch seine Werte. Sein Abwehrmechanismus in den Harnwegen ist geschwächt und Bakterien können so ungehindert emporsteigen. Da helfen auch keine homöopathischen Heilmittel mehr. Diese helfen nicht bei angeborenen Deformierungen und die chemischen Mittel sind bei ihm leider notwendig. Seit Monaten quälen ihn deshalb Blasenwandentzündungen, die auch eine Begleiterscheinung der kranken Nieren sind. Es ist wie ein Teufelskreis, der sich einfach nicht durchbrechen lässt. Kaum denke ich und seine Tierärztin, dass die Entzündung weg ist, kommt schon wieder die nächste und die Abstände werden immer kürzer.

Tabletten werden von mir pulverisiert und ins Futter gemischt

Versuchskaninchen

Ständig müssen wir austesten, was Charly helfen könnte. Angefangen von speziellem Futter für die Nieren bis hin zu natürlichen Mitteln zur Unterstützung der Blase. Dabei ist es auch wichtig, dass mein Bubi es gerne annimmt, denn nicht alles lässt er sich gefallen und schreit dann, als ob ich ihm Gift verabreichen würde. Die Notfallspritze mit dem schmerz- und entzündungshemmenden Metacam habe ich immer parat. Ich sehe es ihm sofort an, wenn er wieder diese blöde Entzündung ausbrütet. Um ihm die schlimmen Schmerzen zu ersparen, muss ich rasch reagieren. Doch manchmal merke ich es erst, wenn er schon blutströpfchenweise Urin absetzt und unsauber wird. Dann dauert es eine Weile, bis das Medikament wirkt und er seine Toilette wieder aufsucht. Einmal bin ich ihm eine Stunde mit Haushaltstüchern hinterhergelaufen. Inzwischen reist er auch nicht mehr aus, wenn ich mit der Schmerzspritze auftauche. Ich denke, dass er inzwischen weis, dass es ihm hilft. Leider weis er auch was es bedeutet, wenn ich dann die gemeine Transportbox aus der Nische hole. Fix muss ich die Schlafzimmertür schließen, dass er nicht unter dem Bett verschwindet. Sein Zuhause in der Box verlassen, findet er am schlimmsten. In der Straßenbahn wird noch ein bisschen gemeutert und den zwanzigminütigen Fußweg zur Praxis wird auch ein paarmal unlustig kommentiert.

Bei fast sieben Kilo geht es nicht mehr ohne Rollen

In der Praxis verhält er sich vorbildlich. Im Wartezimmer beobachtet er die anderen Menschen, die an seiner Box vorbeilaufen. Nur im Sprechzimmer möchte er partout seine sichere Box nicht verlassen und er sperrt sich dagegen. Doch er hat noch niemals jemanden gekratzt oder gebissen, deshalb wird er auch von allen gemocht. Tapfer lässt er alles über sich ergehen. Außer den Ultraschall. Er hasst es, wenn ihm eine Position aufgezwungen und er dabei festgehalten wird. Wenn er dann wieder vom Tisch darf schlüpft er freiwillig zurück in seinen Trolli. Der Heimweg wird wenig kommentiert und in der Straßenbahn setze ich mich immer nahe zur Tür, dann kann er beobachten wer ein- und aussteigt. Ich glaube er weis inzwischen schon wie oft die Tür sich öffnet, bis wir aussteigen.

Die letzten Antibiotika hat er nicht vertragen. Er hatte keinen Appetit mehr und die letzte Tablette, die ich ihm ins Maul gesteckt habe, hat er erbrochen. Natürlich – wo sonst – in mein Bett. Da gibt es dann gleich etwas zu waschen wenn man von der Arbeit heim kommt. Letzten Donnerstag waren wir wieder bei seiner Tierärztin. Aus der Blase wird mit einer Spritze Harn abgenommen und ich muss dann immer warten, bis die Ergebnisse vom Labor vorliegen. Danach wird entschieden ob er Antibiotika braucht oder nicht. Aber ich denke, dass er es dieses Mal wieder brauchen wird. Versuchsweise wird er aber dieses Mal ein anderes verordnet bekommen. Zur Zeit gebe ich ihm UTI ZEN Tabletten, die ich ihm pulverisiert ins Futter mische. Die enthalten Cranberry und haben das Feolin abgelöst, das ich ihm zweimal am Tag mit einer Spritze oral verabreichen musste. Das hat ihm gar nicht gefallen und ich habe ihn gut verstanden. Wochenlag bin ich ihm hinterhergelaufen und musste ihn mit Engelszungen überzeugen, dass er das braucht. Nur geholfen hat es ihm meiner Meinung nach nicht.

Bei einem Biergartenbesuch, die sehr selten sind, aufgenommen

Wie geht es dem Pflegepersonal?

Manchmal macht es mich ganz schön fertig, wenn er wieder Schmerzen hat und ich weis, dass ich ihm nur bedingt helfen kann. Das sind die schlechten Tage. Dann sage ich Verabredungen ab, oder vereinbare erst gar keine. Manche Medikamente muss er zu bestimmten Zeiten bekommen. Das macht mich für Ausflüge und Biergartentreffen unflexibel. Umso mehr freue ich mich dann, wenn es ihm wieder besser geht und er sich so verhält, als wäre nichts gewesen. Ich spüre dann seine Dankbarkeit und ein liebevolles Zwinkern lässt die ganzen vorangegangen Strapazen von mir abfallen. Natürlich überkommen mich auch negative Gedanken, wenn der Tierarzt wieder viel Geld gekostet hat und die Nacht schlaflos war. Dann überlege ich schon, was für ein Tier tragbar ist. Was für mich tragbar ist. Doch diese Zweifel verschwinden sehr rasch wieder. Denn ob man einen Menschen oder ein Tier pflegt, bedeutet für mich dasselbe. Man tut es, weil man liebt und ich habe eben diese Aufgabe bekommen und ich glaube sogar, dass das die einfachere ist.

Vor kurzem habe ich mit einem Menschen gesprochen, der mir nahesteht und nachdem ich gefragt wurde, wie es mir geht, über Charly gesprochen. Die Antwort war, dass ich ihn doch einschläfern lassen soll um mir dann eine andere Katze zu holen. Ich war über die Aussage nicht einmal erschrocken, denn ich kenne diese Person sehr gut und ich weis, dass sie oft etwas sagt, ohne vorher darüber nachzudenken. Nachdem ich die Gegenfrage gestellt habe, ob sie das mit einem kranken Menschen auch so machen würde, hatte sie auch ihren Fehler bemerkt. Trotzdem glaube ich, dass Tiermenschen wie ich, oft belächelt werden und nicht so gut verstanden werden. Dabei erwarte ich gar kein Verständnis. Mir hilft es, wenn man mir einfach nur zuhört und Mitgefühl für meine Situation zeigt.

Eure Ela und Charly

Wenn es ihm nach der Schmerzspritze wieder gut geht