Bald ist es soweit. Am 1. Juli 2023 darf ich in den Ruhestand gehen. Rückblickend habe ich doch einiges erlebt und mit den Worten von Robert Betz würde ich sagen: „Jede Menge Arsch-Engel sind mir begegnet.“
Doch was bedeutet Ruhestand? Das man sich den ganzen Tag nur ausruht und auf die faule Haut legt? Für mich jedenfalls hat die Rente eine andere Bedeutung und das hat absolut nichts mit „nichts mehr machen“ zu tun. Sie bedeutet für mich ein Stück Freiheit und mich nur noch mit dem beschäftigen zu dürfen, worauf ich wirklich Lust habe und mein Leben bereichert.
Berufswahl
Wahrscheinlich erging es vielen von Euch so wie mir, dass die Eltern für Euch, unter den Kriterien des Sicherheitsdenkens, den Beruf ausgewählt haben. So nach dem Motto – mit welchem Beruf kann mein Kind einmal genug Geld verdienen um auf eigenen Beinen stehen zu können. Früher war das so, aber aus meiner heutigen Sicht war dies vollkommener Blödsinn. Denn erstens kann niemand in die Zukunft schauen wie sich was auf dem Arbeitsmarkt entwickelt und zweitens hatte das nichts damit zu tun wozu man eigentlich berufen ist. Weil man aber in der Regel mit vierzehn Jahren noch gar nichts vom Leben weiß, glaubt man das was einem die Eltern sagen und für gut und richtig halten. Also habe ich etwas „ordentliches“ gelernt und bin Bürokauffrau geworden. Neunundvierzig Jahre lang bin ich dem kaufmännischen Beruf treu geblieben und habe mich nie getraut den „sicheren Hafen“ zu verlassen.
Berufswunsch
Jedes Kind wird irgendwann einmal gefragt was es später einmal werden möchte. Doch meine Wünsche waren für meine Eltern zu utopisch und wurden schnell als Spinnerei abgetan, so dass sie mir schiesslich auch als unerreichbar erschienen. Als Zehnjährige wollte ich Schauspielerin, Sängerin und Fotografin werden und als alles abgeschmettert worden war, Tierpflegerin im Zoo. Das letztere erschien mir jedenfalls als absolut bodenständig. Weil ich damals ein Kaninchen besaß und nicht gerne die Reinigung der Kiste in das es sein Geschäft verrichtete übernehmen wollte, entschied meine Mutter, dass ich dafür auch nicht geeignet wäre. Heute weis ich erst, was ich versäumt habe, das ich das nicht geworden bin. Die Liebe zu den Tieren und dem Beruf hätten mich getragen und ich hätte es weit bringen können, denn so wie ich es in meinem Kaufmannsberuf stehts getan habe, hätte ich mich auch in diesem Beruf fortgebildet. Vielleicht würde ich heute in einem Nationalpark in Afrika oder in einem anderen Land arbeiten und leben. Wenn sich andere Kinder das Kinderprogramm angeschaut haben, hörte ich jedenfalls mit Staunen Bernhard Grzimek zu.
Beginn einer neuen Freiheit
In ein paar Wochen schließt sich für mich eine wuchtige Tür und tatsächlich ist es so, dass ein neues Türchen aufgegangen ist. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sich damit ein Kindheitstraum erfüllen wird und ich etwas für die Tiere tun darf. Ich weis noch nicht genau wohin mich diese neue Aufgabe führen wird, aber der erste Schritt ist getan und ich freue mich bereits riesig darauf.
Auf jeden Fall lohnt es sich den Mut zu haben, herauszufinden was Euch glücklich macht und traut immer Eurer inneren Stimme.
„Tiere sind die besseren Menschen“, sagt man. Ich finde das stimmt so nicht, denn ein Tier ist ein Tier und ein Mensch ist ein Mensch. Die Bedürfnisse an Haltung und Pflege unterscheiden sich deutlich voneinander, aber trotzdem haben beide Spezies ein Recht auf respektvollen Umgang und Rücksichtnahme.
Weil mich meine Katzen Joy und Charly immer wieder vor Rätsel stellten, hatte ich mich vor ein paar Jahren entschlossen, eine bessere Verständigung über die Tierkommunikation zu erzielen. Ich durchlebte eine spannende Zeit voller Offenbarungen und Spiritualität. Doch meine inneren Zweifler hinderten mich immer wieder daran, mich ganz und gar für dieses Thema zu öffnen und es stimmte mich traurig, dass ich nicht voll und ganz dazu bereit war.
Zu meinem Pech – das ich heute als Glücksfall sehe – wurde ich im Jahr 2020 coronabedingt in Kurzarbeit geschickt. Ich hatte plötzlich viel Zeit und ich fragte mich, was ich mit ihr nun anfangen möchte. Wofür ich brenne und für was ich mich noch begeistern könnte. Schließlich bin ich keine dreißig oder vierzig, und es lässt sich nicht leugnen, auch keine fünfzig mehr und die Karriereleiter ist für mich nur noch eine kleine Klappleiter mit der man das oberste Fach des Küchenschranks erreichen kann. Die Antwort kam eigentlich ganz rasch aus meinem Herzen heraus. Du liebst und brennst für Tiere. Ich lies mir also Kataloge über Fernlehrgänge schicken und entschied mich für das Fach „Tierpsychologie – Tierhaltung, Tierbetreuung, Tiertherapie“ bei der Fernschule sgd. Im Dezember 2020 begann ich mit meinem Fernstudium und lernte ein Jahr lang begeistert, was Tiere wirklich brauchen.
Während meines Studiums habe ich sechs von diesen Büchern vollgeschrieben
Hunde, Katzen und Nager
Im vergangenen Jahr konnte ich mir viel theoretisches Wissen über die artgerechte Haltung und Pflege unterschiedlicher Heimtierarten aneignen. Auch über die richtige Ernährung habe ich viel gelernt. Vor allem die Nager werden oft falsch gefüttert, weil man sich auf das Fertigfutter vom Handel verlässt und sie davon sehr krank werden können. Auch bei Verhaltensstörungen findet man meist die Ursache darin, dass die Tiere nicht richtig untergebracht sind. Wenn ich da an meine eigenen Haltungsfehler denke, stellen sich mir im Nachhinein noch alle Haare zu Berge. Gut, damals war ich noch ein Kind mit dem brennenden Wunsch ein Haustier zu besitzen, das dann widerwillig von meinen Eltern genehmigt wurde. Dabei denke ich an meinen Wellensittich, der sein einsames Dasein auf dem Küchenschrank verbringen musste, weil Mutti nicht wusste wohin sie den viel zu kleinen Käfig sonst stellen sollte. Oder Schnuffi, mein weißes Kaninchen, das als Einzeltier in einem oben offenen Karton mit einer Auffangwanne für Urin und Kot, die mein Vater selbst gebaut hatte, im Badezimmer gehalten wurde. Und der bei Eintritt seiner Geschlechtsreife jeden in die Fersen biss, der sein Revier betrat. Vielleicht hatte man sich 1969 noch nicht so viele Gedanken über Tiere gemacht. Nicht nur einmal habe ich diese Tierseelen um Verzeihung gebeten, die ich zu Lebzeiten unwissend krank liebte. Ein Satz von meiner Studienbegleiterin hat sich da bei mir verfestigt: „Kleintiere leiden leise.“ Zum Glück sind die meisten Menschen heute verantwortungsbewusster und das Internet bietet viele Plattformen um sich genau zu informieren, was Tiere brauchen. Trotzdem mein Appell: „Liebe Leute, bitte schafft euch kein Tier an, weil es euch unterhalten oder irgendeinem egoistischen Zweck dienen soll. Tiere haben ihre eigenen und je nach Art ihre ganz speziellen Bedürfnisse an Unterbringung, Zeit und Pflege. Deshalb ist vor der Anschaffung genau zu prüfen, ob das Tier zu den eigenen Lebensumständen und Bedürfnissen passt.“ Bei der Auswahl eines Tiers hilft ein Tierpsychologe sehr gerne weiter.
Was macht eine/n seriöse/n Tierpsychologen/in aus?
1. Ein/e gute/r Tierpsychologe/in hört sich erst einmal vorurteilsfrei das Problem des Tierhalters an. Auch wenn Menschen bei ihren Tieren Fehler machen, heißt das nicht, dass sie kein Herz haben. Sie wissen es einfach nicht besser.
2. Anschließend wird der/die Tierpsychologe/in einen Anamnesebogen dem Halter zuschicken, der gewissenhaft aufgefüllt werden muss.
3. Nach Auswertung des Fragebogens wird sich der/die Psychologe/in mit dem Besitzer des Tiers in Verbindung setzen und einen Termin vereinbaren, bei dem vor Ort die Haltungsbedingungen begutachtet werden können. Das persönliche Gespräch ist dabei äußerst wichtig und hilfreich.
4. Nach diesem Termin wird ein/e Tierpsychologe/in einen Maßnahmenkatalog und einen Therapieplan unter Absprache mit dem/der Tierhalter/in erstellen. Die Maßnahmen müssen auch zu den persönlichen Umständen des/der Halters/in passen und auch für ihn/sie umsetzbar sein.
5. Nach ein paar Wochen wird wieder ein Gespräch zwischen Tierpsychologe/in und Halter/in stattfinden um Fortschritte oder Verbesserungen der Therapie zu besprechen.
6. Ein/e gute/r Tierpsychologe/in scheut sich auch nicht ganz klar auszusprechen, wenn es für das Tier besser wäre einen neune Platz zu finden und er/sie würde auch anbieten bei der Suche eines guten Platzes zu helfen.
Leider ist es so, dass sich die meisten Menschen erst für eine Beratung entschließen, wenn der eigene Leidensdruck über das „Fehlverhalten“ seines Tieres schon sehr groß ist. Es wäre besser, wenn man sämtliche Auffälligkeiten bereits vor einer Resignation mit einem/r Therapeuten/in besprechen würde. Auch artgerechtes Verhalten kann als Verhaltensstörung empfunden werden.
Manchmal nervt mich auch Charly
Gleich vorweg. Ich liebe meinen Kater, aber es gibt Momente wo ich ihn am liebsten zum Mond katapultieren würde. Zum Beispiel, wenn er mich morgens um vier oder um fünf weckt und sehr penetrant darauf besteht sein Futter zu erhalten. Warum er das macht hat mehrere Gründe, die mir sehr bewusst sind, die ich aber leider nicht ändern kann. So muss ich eben in den sauren Apfel beißen und ihm sein Anliegen erfüllen. Schließlich bin ich der einzige Dosenöffner im Haus und Charly ist kein Freigänger, der sich seine Mahlzeit selbst besorgen kann. Jedem der sich eine Katze anschafft, muss sich im Klaren darüber sein, dass Katzen andere Schlafgewohnheiten haben und sie nur bedingt an den Menschen anpassen. Es gehört zu ihrem natürlichen Verhalten, dass sie mehrmals am Tag und auch nachts auf die Jagd gehen. Außerdem ist es ihnen in Einzelhaltung stinklangweilig und wollen beschäftigt werden. Dafür hat eine Katze den Vorteil, dass man nicht bei Wind und Wetter raus muss wie bei einem Hund, der auch länger auf sein Futter warten kann. Trotzdem erinnere ich mich an meine eigenen Hunde, die auch mal Durchfall hatten und ich mitten in der Nacht schnell über meinen Schlafanzug eine Jogginghose und eine Jacke gezogen hatte, um ganz schnell den Kranken nach draußen zu bringen.
So hat jede Tierhaltung seine Vor- und Nachteile, die es genau abzuwägen gilt, ob man bereit ist Opfer zu bringen. Charly jedenfalls hat mich sehr gut im Griff und kann mir auch ohne Worte zeigen, was er möchte.
Charly hat sich in mein Herz geangelt
Zu meinem theoretischen Wissen habe ich im Tierheim Augsburg ein Praktikum absolviert. Auslernen wird man allerdings nie. Nicht nur jede Tierart, sondern jedes einzelne Tier hat seinen ganz speziellen Charakter, und so verhält es sich auch. Aber von wem soll man besser lernen, als von den Tieren.
Im Januar 2021 schloss ich mein Fernstudium mit Bestnote ab. Dieses Wissen ist eine Bereicherung für mich, meine Haustiere und für die Tiere, die ich beaufsichtigen oder betreuen darf.