Schmerzen

Verdrängung

Eigentlich hatte ich mit weniger schlechten Nachrichten gerechnet. Aber wahrscheinlich habe ich auch nur die Realität verdrängt.

„Es geht Charly gut,“ habe ich immer geantwortet, wenn ich nach ihm gefragt wurde. Der Wahrheit ins Auge zu blicken ist nicht immer ganz einfach. Und da Charly aufgrund seiner Art auch ein hervorragender Verdrängungskünstler ist, wollte ich es glauben.

Zurück in der Wirklichkeit

Die letzten Tage konnte es schließlich auch Charly nicht mehr vor mir verbergen, dass er Schmerzen hat. Sein Fressverhalten lies meinen Verdacht, dass er wieder Zahnprobleme hat, nicht los. Und da war noch etwas anderes, was mir an ihm auffiel. Da sowieso eine Kontrolluntersuchung beim Tierarzt anstand, vereinbarte ich einen Termin. Im Juli war es viel zu heiß gewesen ihm den Transport anzutun, aber jetzt wo es kühler geworden war, wollte ich die Untersuchung nicht mehr länger hinauszögern. Ich packte ihn also gestern in seine Transportbox und meine Tochter fuhr mich in die Praxis. Als routinierter Arztgänger kam nicht ein Laut aus seiner Box. Eine halbe Stunde beobachtete er interessiert die anderen Menschen und Tiere.

Es war zu erwarten

Die Diagnosen überraschten mich, wenn ich ehrlich bin, nicht. Das er Zahnprobleme hat, dachte ich mir bereits, aber dass es gleich sieben Zähne sein würden, die vermutlich gezogen werden müssen, lies mich dann doch schwer schlucken. Die zweite Diagnose bereitete mir dann noch zusätzliche Bauchschmerzen. Die Anzeichen dafür haben sich aber schon seit längerem abgezeichnet und aufgrund seiner Rasse rechnete ich immer damit, dass er davon auch nicht verschont bleiben würde. Sein wackeliger Gang, die Gewichtszunahme, weil er nicht einmal mehr seiner geliebten Katzenangel hinterherspringen möchte und die nächtliche Unruhe. Auch seine Toilettengänge um Kot abzusetzen zögerte er so lange hinaus bis er es nicht mehr zurückhalten konnte. Die Tierärztin wusste, wo und wie sie ihn anfassen musste, um Charly dazu zu bringen, ihr zu sagen, wo es genau schmerzt. Es ist die Hüfte, hauptsächlich links. Ich habe immer gehofft, dass er vor Arthrose verschont bleiben würde, denn es gibt nicht viel, was man gegen diese Schmerzen unternehmen kann.

Narkose

Heute Nacht habe ich jedenfalls nicht gut geschlafen. Wieder eine Entscheidung die ich treffen muss, die meinem vierbeinigen Freund das Leben beenden und meins aus der Bahn werfen könnte. Wegen Carlys Herzfehler stellt eine Narkose für ihn immer ein erhöhtes Risiko dar. Bei dem Gedanken wird mir übel. Trotzdem musste ich zu einem Entschluss kommen. Nach einem langen Gespräch mit der Ärztin lies ich mich mit meinem Bub wieder nach Hause fahren, um alles erst einmal zu bedenken. „Eine kardiologische Untersuchung vor dem Eingriff würde vielleicht bei der Entscheidung helfen“, meinte sie. Mit Grauen denke ich an meinen gestressten Charly beim letzten Herzultraschall. Außerdem glaube ich nicht, dass man da eindeutig erkennen kann ob er sterben wird oder nicht. Danach bin ich sicher genauso schlau wie vorher. Was ist zum Wohl des Tieres? Diese Frage beschäftigt mich, seit Charly krank ist.

Abwägung

Zahnschmerzen sind grausam. Davon kann ich ihn mit einer Operation befreien. Die Schmerzen in seinem Hüftgelenk kann ich ihm nur erleichtern indem er Schmerzmittel und ein Präparat verabreicht bekommt, das seine Knorpel schmiert. Operation trotz Risiko? Mit dieser Frage schlief ich dann doch ein und morgens um Fünf bekam ich eine Antwort: „Lass ihn operieren!“ Meine innere Stimme riet es mir. Ich werde auf sie hören und egal wie die Operation ausgeht wird es das Richtige für uns sein. An etwas Höheres zu glauben, das uns beschützt und lenkt und immer das Beste will, hilft mir dabei sehr.

Bevor ich jedoch einen Termin für die Operation vereinbaren kann, ist noch eine andere Hürde zu nehmen. Nämlich die Kostenübernahme durch die OP Versicherung, Die Tierärztin meinte ich müsste nur für die Zahn-OP in etwa mit 1.200,00 Euro rechnen. Die Tierarztkosten sind utopisch hoch geworden. Charly wird deshalb mein letztes eigenes Haustier sein, denn ein Tier zu besitzen wird in Zukunft nicht mehr eine Herzensangelegenheit sein, sondern wie dick das Bankkonto ist. Wie so vieles in unserem Land werden sich das nur noch die gut situierten Leute leisten können. Eine erschreckende und traurige Entwicklung.

Eure Ela mit Charly