Ist die Katze krank, sorgt sich der Mensch

Man fühlt sich so hilflos, wenn der geliebte, vierbeinige Lebensbegleiter krank ist. Schließlich können sie sich nicht verbal mit ihren Besitzern verständigen und die Körpersprache einer Katze wird meist falsch interpretiert. Kleine Verhaltensveränderungen werden oft übersehen und schleichen sich dann langsam als Normalität ein. Gerade Katzen können Schmerzen stillschweigend hinnehmen. Sie beklagen sich nicht und lassen sich lange nichts anmerken. Wenn man dann spürt, dass etwas nicht stimmt, ist die Krankheit bereits sehr ernst zu nehmen.

Mein Kater Charly verhielt sich schon als kleiner Welpe nicht so wie „normale“ Katzen. Er ist ein Scottish Fold und dieser Rasse, sowie auch vielen anderen Rassekatzen, schreibt man einige gesundheitliche Probleme zu. Doch die Gesundheitschecks beim Tierarzt ergaben nie Auffälligkeiten. Die Herpesbläschen, die er zweimal am Mund bekommen hatte, wurde vom Tierarzt schulterzuckend mit Cortison behandelt. Da ich und der Tierarzt unter keinen Umständen ihm ein drittes Mal diese Spritze zumuten wollte, probierte ich zum ersten Mal alternative Präparate aus…und siehe da es hatte geholfen. Die Bläschen waren weg und kamen auch nicht mehr wieder. Sein Appetit war wieder normal, seine Augen blitzten wieder klar und machte auf mich wieder einen fitten Eindruck.

Charly war schon immer vorsichtig und sensibel. Als meine Kätzin Joy noch lebte, und sie sich als Freigängerin entpuppte, erlaubte ich ihm mit ihr zu den Nachbarsterrassen zu gehen. Sie passte auf ihn auf und wenn ich sie rief schubste sie ihn so lange, bis er ihr nach Hause folgte. Leider fiel mein kluges Mädchen im Frühjahr 2019 einem Unglück zum Opfer und war nicht mehr nach Hause gekommen. Charly hatte sehr lange getrauert. Vielleicht hätte ich ihm sofort wieder einen Kameraden holen sollen, aber ich habe keine Möglichkeit meine Terrasse so zu sichern, dass sich die Katzen nicht weiter weg entfernen können und nochmals ein Tier auf diese Weise zu verlieren, wollte ich nicht mehr riskieren. Seitdem lebt Charly mit mir alleine und seine Ausflüge beschränken sich nur noch innerhalb unserer Wohnung und der Terrasse, die er auch ohne Absicherung nicht verlässt.

Nach der Trauer bekam Charly Verdauungsprobleme und er litt immer öfter an Verstopfung. Den Tierarzt den ich damals konsultierte behandelte leider nur die Symptome, nicht die Ursache. Ich holte mir Rat bei einer Tierheilpraktikerin. Sie verordnete ihm eine Ernährungsumstellung und riet mir zu hochwertigerem Futter mit einem höheren Fleischanteil. Das Trockenfutter bekam er ab da nicht mehr. Sie stellte mit verschiedenen Naturheilmitteln einen Therapieplan zusammen. Danach verschwanden die Probleme und er erfreute sich bester Gesundheit. Dachte ich…

Armer kranker Kater

Man macht sich immer Vorwürfe, wenn man die Anzeichen nicht richtig erkannt hat und in unserem Fall musste erst etwas Schlimmes passieren, damit auch die übrigen gesundheitlichen Probleme aufgedeckt wurden.

Der Mai 2021 war wohl einer der schlimmsten Monate für Charly und mich. Zuerst verschluckte er einen Grashalm so blöd, dass er irgendwo im Nasen-Rachenraum hängen blieb und ich Angst hatte, er könnte daran ersticken. Er musste sich der Prozedur einer Spülung unterziehen. Kurz danach bekam er auch noch eine Blasenentzündung, die sich in häufigem Absetzen von kleinsten Mengen Urin unter starken Schmerzen und Unsauberkeit äußerte. Es musste eine Ultraschalluntersuchung und eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Natürlich, wie kann es anders sein, passierten die beiden Notfälle immer am Wochenende und ich musste mit ihm in die Tierklinik. Dort wurde er gründlich untersucht. Die Ärzte waren sehr nett und nahmen sich sehr viel Zeit für uns. Vielleicht musste es so sein, dass er dort behandelt werden musste, denn was ich dann zu hören bekam, war niederschmetternd.

Zahnschmerzen

„Sehen Sie den schmalen roten Streifen am oberen Zahnfleischrand?“ wurde ich vom Tierarzt gefragt. Er hielt Charlys Kopf profimäßig fest und schob seine Lippe nach oben. Von mir hätte er sich das nicht gefallen lassen und hätte sich lauthals beschwert. Den Ringkampf mit meinem sieben Kilo schweren Kater verlor ich auch ständig. Aber dem festen Griff des Tierarztes entkam er nicht. Ich nickte.

„Sein Zahnfleisch ist stark entzündet und es kann sein, dass die Zahnwurzeln auch schon angegriffen sind. Die Zähne selbst sehen, bis auf ein bisschen Zahnstein, zwar gut aus, aber das muss man unbedingt röntgen. Wenn sich herausstellt, dass die Wurzeln kaputt sind, müssen die Zähne gerissen werden, denn er hat sicherlich Schmerzen. Ist Ihnen da etwas aufgefallen?“

Oh, je, dachte ich. Es lag also daran, dass er in letzter Zeit oft Mundgeruch hatte und er nur noch fein pürierte Pastete gefressen hat. Es tat mir sofort leid, dass ich ihn immer verdächtigt habe wählerisch und heikel zu sein. „Ja, er frisst nicht mehr alles und die Leckerlis möchte er auch nicht mehr zerbeißen. Aus seinem Maul riecht er in letzter Zeit auch komisch.“

„Das deutet alles darauf hin. Lassen Sie das bitte kontrollieren!“

In meinem Kopf fing es an zu rattern. Zahlt das meine OP Versicherung? Warum habe ich nur keine Krankenversicherung für ihn abgeschlossen? Da habe ich wohl wieder am falschen Fleck gespart. Scheibenkleister. Haben mich die beiden Notfälle schon ein halbes Vermögen gekostet und jetzt das noch. „Ja, das mache ich auf jeden Fall,“ antworte ich.

Nun griff der Arzt nach dem Stethoskop und lauschte: „Da höre ich auch noch ein unnormales Geräusch am Herzen. Es schlägt zu schnell. Das muss nichts Schlimmes bedeuten, aber ich würde das auch unbedingt von einem Kardiologen untersuchen lassen.“

Wieder rattert mein Rechencomputer im Kopf. „Ja, das werde ich auch nachschauen lassen,“ gab ich zur Antwort.

„Jetzt hole ich Ihnen noch die Medikamente für die Blasenentzündung und ein Schmerzmittel. In zehn Tagen lassen Sie bitte seinen Urin nochmal untersuchen, ob die Entzündung weg ist. Die Termine wegen der Zähne und des Herzens können Sie dann auch gleich vereinbaren. Sie könne das bei uns machen, aber auch wo anders. Das liegt bei Ihnen, aber bitte auf jeden Fall kontrollieren lassen.“

Wahrscheinlich waren in meinen Augen die „Eurozeichen“ sichtbar gewesen, weil er das so eindringlich zu mir gesagt hat. In meinem Herzen war jedoch nur tiefes Mitgefühl und das überdeckte auf jeden Fall die Angst vor einer hohen Tierarztrechnung.

Charly’s Herz

Der Weg zur Tierklinik ist für mich ohne Auto etwas kompliziert, deshalb suchte ich mir eine andere Tierarztpraxis, die für mich besser zu erreichen ist. Ich fand eine Praxis, bei der sich auch sämtliche Untersuchungsmöglichkeiten unter einem Dach befanden. Zuerst hieß es Aufnahmestopp für neue Patienten, aber nachdem ich Charlys Probleme genau schilderte, wurden wir zum Glück aufgenommen. Der Blasen-Nachsorgetermin ergab, dass alles in Ordnung war. Bei den übrigen Untersuchungen erhielt ich die gleiche Diagnose wie in der Klinik. Weil mein Kater bei der Zahnbehandlung eine Narkose erhalten würde, waren wir uns einig, dass zuvor das Herz kontrolliert werden musste. Wir vereinbarten einen Termin und ich hoffte, dass alles gut ausgehen würde. Doch über der Frage der Ärztin ob ich etwas an Charlys Verhalten bemerkt habe, grübelte ich. Er war beim Spielen nicht sehr ausdauernd und wenn er einmal seiner Katzenangel nachjagte, war sein Spurt nur von kurzer Dauer. Er schaute lieber zu, wenn ich mit seinen Bällen oder Angeln spielte. Ich dachte es kommt daher, weil er rassetypisch schwer ist und seine Beine so kurz sind. Also ein anatomisches Problem. Sollte ich mich da auch getäuscht haben?

Ohne wirklich triftigen Grund sollte man seiner Katze einen Herzultraschall nicht zumuten. Es ist purer Stress. Wir hielten ihn zu zweit fest, während die Kardiologin sein Herz abtastete. Sein unaufhörliches Miauen war herzzerreißend. Weil sie ihn nicht an der Brust rasieren wollte, war zuerst die Bildqualität am Bildschirm nicht sehr gut. Sie erklärte mir, dass das nicht an der Dichte des Fells liegt, sondern an der Luft, die sich im Fell befindet. Sie befeuchtet seinen Pelz mit Wasser, was ihm wiederum überhaupt nicht gefiel. Dann wurden die Bilder deutlicher. Ich sah die Umrisse seines pumpenden Herzens, rote und blaue Farbe blitzte auf.

„Sehen Sie das?“, die Ärztin deutete auf das pulsierende hell umrandete Schwarz. „Das nennt man „kissing lession“ und sieht aus, als ob sich die beiden Wände küssen würden. Das ist eine Anomalität, die häufig bei Rassekatzen vorkommt.“

Nach ihrer Erklärung sah ich es auch ganz deutlich. Dann sagte sie lange nichts mehr.

Nachdem die Untersuchung beendet war und Charly erlöst wurde, klärte mich die Kardiologin in einem langen Gespräch auf. Dabei erklärte sie mir anhand des entstandenen Bildmaterials den Befund. „Charly ist schwer Herzkrank…wirklich schwer,“ endete sie.

Ich musste das Gesagte und Gezeigte erst verarbeiten und konnte noch nicht glauben was ich erfahren musste. Ich versuchte den Wirrwarr in meinem Kopf zu ordnen. Verdickungen, zu hoher Blutdruck, vergrößerter Vorhof, Flüssigkeitsablagerungen. Eins wurde mir klar. Er ist nicht faul und träge. Er hat ein krankes Herz und ich fühlte mich schuldig, dass ich es nicht früher gesehen habe.

Sterben

Das ein Tier, im besten Fall sogar, früher stirbt als sein Mensch ist klar. Aber das es aus gesundheitlichen Gründen nicht sehr lange leben wird, ist bitter. Dabei dachte ich immer wir beide werden zusammen alt. Wie lange er noch bei mir bleiben darf, konnte mir die Ärztin nicht sagen. Das kommt darauf an wie schnell die Verdickungen wachsen und wie viel Flüssigkeit sich in seinem Körper und Organen ansammeln wird. Es können ein paar Monate sein, aber vielleicht noch ein paar Jahre. Ich hoffe, das Letztere tritt ein. Die Frage ob er Herzschmerzen hat, hat mir die Ärztin mit nein beantwortet. Trotzdem hat er Schmerzen und zwar an den Zähnen und ich möchte nicht, dass er das noch länger aushalten muss. Deshalb war meine Entscheidung für die Zahn-OP und der damit verbundenen Narkose schnell geklärt.

Vorgestern war ich bei der Blutdruckkontrolle und das blutdrucksenkende Medikament hat angeschlagen. Das Narkoserisiko hat sich verringert. Doch ein gewisses Risiko bleibt, speziell bei einem Herzpatienten, immer. Ich bete für meinen lieben Kater, dass er Montag, den 28. Juni gut übersteht. Wenn er wieder aufwacht, werde ich jedenfalls alles was mir möglich ist tun, damit er noch ein gutes Leben bei mir hat. Wir können deshalb sämtliche Daumendrücker gut gebrauchen.

Rassekatzen

Nun stellt sich sicher die Frage, ob ich nach meinen Erfahrungen empfehlen kann, sich eine Rassekatze zu kaufen. Trotz allen Problemen bereue ich keinen Tag mit meinem Tier. Sein Charakter ist so, wie es dieser Rasse zugeschrieben wird und ich es mir ausgesucht hatte. Eine Rasse wie Charly würde ich mir jedoch nicht mehr kaufen, denn sie ist in meinen Augen eine Qualzucht. Für meine Wohnung ist ein Freigänger ungeeignet und wenn es schon eine Rassekatze sein sollte dann würde ich auf eine seriöse Züchtung achten.

Wie erkennt man einen seriösen Züchter? Er zeigt unaufgefordert immer die Mutterkatze und die Geschwister und beantwortet auch kritische Fragen, beispielsweise wie häufig die Mutterkatze gedeckt wird. Wenn der Züchter ausweicht, kann man davon ausgehen, dass man noch genauer hinschauen sollte. Die Zuchtpapiere und der Impfausweis mit gültigen Impfungen müssen vorhanden sein. Ein Züchter möchte immer den Interessenten persönlich kennenlerne und bietet seinen Kontakt für weitere Fragen und Problemen auch nach dem Kauf an.

Als ich Charly kaufte, war ich noch zu unerfahren um genau nachzufragen. Heute weiß ich, dass mich die Züchterin nicht wirklich gut aufgeklärt hatte. Ich denke, sie wusste bereits damals, dass Charly ein Sorgenkind werden könnte. Ein Katzenwelpe sollte nach 8 Wochen die erste Impfung für die Grundimmunisierung erhalten. Das ist bei Charly auch nicht geschehen. Vielen Hobbyzüchtern oder noch schlimmer „Vermehrern“ geht es in erster Linie nur darum schnell viel Geld zu verdienen. Leider steht das Wohl der Tiere oft erst an zweiter Stelle.